Lieber ein Ende mit Schrecken…
Das war’s dann. Das Ende der angeblich letzten großen Samstagabendshow. In den folgenden Tagen werden sich die Feuilletonisten schwitzend die Hirnwindungen trocken drücken, um auch wirklich ganz sicher sämtliche Wortspiele mit “Lanz”, “Wetten” oder “Flieger” ins Netz und aufs Papier zu kriegen. Allein: Der Grund dafür ist die Mühe nicht wert.
Furchtbar war sie, die letzte “Wetten, dass..?”-Sendung – nicht vor der Sommerpause oder den Malle-Außendrehs, sondern glücklicherweise für immer. Und zwar im Wortsinn, denn voller Furcht wartete man darauf, dass sich Markus Lanz mit Wonne ins nächste Fettnäpfchen warf. Auch Fremdscham ist nämlich nur in kleinen Dosen zu ertragen. “Lanz” ist jedoch längst die Maßeinheit, in der eine Überdosis gemessen wird. Andererseits macht es natürlich Spaß, auf ein leichtes Ziel zu ballern. Haben wir auch getan, auf Twitter, wo Hashtags wie #lanzchristmas die Runde machten. Und zwar nicht wegen der “verdammten Klickzahlen” (Markus Lanz über das Internet), sondern weil dieser Mist eben nicht “sehr, sehr vielen Menschen Freude macht” (Markus Lanz über die Show, die er an die Wand gefahren hat). Der Mann hat es verdient, öffentlich angegriffen zu werden, voller Bosheit und Zynismus, weil er es wagt, seine Arroganz in eben diese Öffentlichkeit zu tragen.
Wie war er denn nun, der Abgesang auf eine angebliche Ära? Es folgt keine detaillierte Analyse, kein hämisches Sezieren all der schlimmen Dinge, mit denen diese letzte Sendung nicht eben geizte. Es sei vielmehr auf drei Punkte hingewiesen, an denen sich das Grauen, mit dem das Zweite uns fortan zu verschonen gedenkt, festmachen lässt:
1. Ben Stiller. Der Gute ist Komiker und hat das Pech, ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit den dritten Teil seiner familientauglichen Schenkelklopfer-Reihe “Nachts im Museum” ins Kino zu bringen. Gut für den Geldbeutel, schlecht für die Abendgestaltung. Denn um einen neuen Film zu bewerben, muss man in der alten Welt durchs Fegefeuer, und das befindet sich ziemlich exakt auf jener Couch, auf der in den vergangenen drei Jahrzehnten schon so mancher Hollywoodstar vor sich hin dämmerte. Man kann Stiller indes nicht vorwerfen, gute Miene zum bösen Spiel gemacht zu haben. Ob Tom Hanks oder Will Arnett ihn nun gewarnt haben oder nicht – seine Art, mit der irritierend gackernden Gruppe euphorisierter Unbekannter umzugehen, in deren Mitte er ausharren musste, bis das eingangs erwähnte Sicherheitswort “Flieger” fiel, war folgende: Er tat einfach nichts. Mit versteinertem Gesichtsausdruck und ohne den Versuch, das klassische amerikanisch-oberflächliche Grinsen zu imitieren, ließ er die Sendung an sich vorbeiziehen. Nur einmal lachte er, es wirkte sogar ehrlich und von Herzen. Das war, als er fliehen durfte. Es ist davon auszugehen, dass er zur Garderobe gerannt ist, ohne sich umzudrehen.
2. Die Musik. Die Fantastischen Vier haben immer gute Laune (zumindest drei Viertel von ihnen), und man nimmt es ihnen sogar ab. Es war ihnen ganz offensichtlich wurscht, dass sie gerade der allerletzten “Wetten, dass..?”-Ausgabe beiwohnten. Das macht sie noch sympathischer. Deswegen soll es an dieser Stelle auch um zwei andere musikalische Gäste gehen. Um noch einmal zu verdeutlichen, wie wenig ihnen das einstige Flaggschiff auf den letzten Metern noch am Herzen liegt, hatten die Verantwortlichen nämlich das Langweiligste und Konformste eingeladen, was aufzutreiben war: Engelchen und Teufelchen. Die Bundes-Helene hauchte irgendwas Festliches, das klang wie “Atemlos” nach einer großen Packung Valium, also noch grauenhafter. Und der Graf (c) gab ganz zum Schluss den Rauswerfer, mit der gewohnten Gothic/Schlager-Grütze, die sich natürlich anhörte wie sein Hit, sich aber irgendwie um Abschied drehte. Er hört nämlich ebenfalls auf. Halleluja.
3. Samuel Koch. Es fällt schwer, in Worte zu fassen, was in einem wühlte, als Lanz den querschnittsgelähmten Schauspieler… nein, eben nicht interviewte. Er führte ihn vor. Man war wirklich froh, dass er ihn nicht bat, doch mal rasch zu demonstrieren, was er noch alles kann, weil doch bald Weihnachten ist und das sehr, sehr vielen Menschen Freude machen würde und so. Oder um zu zeigen, dass es halb so wild ist, wenn man nach einer misslungenen Wette im Rollstuhl sitzt. Ist doch alles nur Spaß. Koch reagierte souverän, verwies darauf, dass Lanz sich zweimal nach seinem Gesundheitszustand erkundigt habe, und fragte zurück: “Und selbst?” Kurz: Wenn Til Schweiger neben einem sympathisch wirkt, macht man als Moderator etwas falsch und nicht sehr, sehr vielen Menschen Freude. Es fragt sich, weshalb die Produzenten einen Trampel wie Markus Lanz Slalom laufen lassen. Absicht? Bösartigkeit? Hat gar jemand hinter den Kulissen abgeklatscht, als er dem sehbehinderten Wettkandidaten eine Sichtschutzbrille aufdrängte? Da hatte Koch ja fast Glück. Dafür, dass er genau das ausstrahlt, hat er übrigens den stehenden Applaus durchaus verdient.
Nach einer zähen letzten Wette und dem so verzweifelten wie vergeblichen Bemühen, etwas pathetische Abschiedsstimmung aufkommen zu lassen, erwähnte Lanz vor dem Unheilig-Auftritt noch einmal jene “Ära”, die nun Ende sei. Als ob so etwas immer ein Grund zur Trauer wäre. Der Eiszeit oder dem finsteren Mittelalter hat bestimmt auch niemand nachgeweint.