Eine Pause von den laufenden Toten
Ich fühlte mich fast ein bisschen aussätzig in den vergangenen Jahren, wenn ich auf Facebook und Twitter stets sämtliche Staffeln von The Walking Dead verteidigte.
Nein, das ist nicht langweilig. Doch, da gibt es eine Charakterentwicklung. Nein, die Handlung wiederholt sich genau genommen nicht. Ja, ich hätte auch gerne, dass sie endlich in Washington ankommen, aber die Geschichte ist immer noch spannend.
Gebannt saß ich auch bei den Staffeln 4, 5 und 6 vor der Glotze und bingte die Folgen nur so weg. Ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Mir war einfach nicht klar, wie man das langweilig finden konnte. Klar, genau genommen, ist das Schema immer das Gleiche. Die Gruppe findet eine sichere Zuflucht, dann kommen böse Menschen, dann kommen viele Walker, dann gibt es Tote. Man begibt sich auf die Suche nach der nächsten Zuflucht und der Kreislauf beginnt von vorne.
Es gab ein paar Folgen, die ich tatsächlich auch damals schon extrem langweilig fand. Als die Autoren die Gruppe trennten und sich alle unabhängig voneinander auf den Weg nach Terminus machten, bin ich vor Langeweile auf dem Sofa fast eingegangen. Die Geschichte ging in Zeitlupentempo voran, aber ich hatte Vertrauen, und das Vertrauen wurde belohnt. Ja, es wurde wieder spannend.
Am Ende der sechsten Staffel jedoch, als ich erstmals den Trailer für den Auftakt der siebten Staffel sah, dachte ich zum ersten Mal: What the fuck?
Da ist Negan, okay, ein wirklich böser Mensch, noch böser als der Governor, weil völlig skrupellos und empathielos. Gut, war klar, es muss ja immer böser, skrupelloser, brutaler und abgefahrener werden, wie will man sich sonst in den kommenden Jahren noch steigern?
Dann tauchte der Tiger auf und ich schüttelte fassungslos den Kopf. Ernsthaft? Ich habe die Comics nie gelesen, sie interessieren mich auch jetzt überhaupt nicht. Es ist mir egal, ob der Tiger da auch auftaucht. Es ist einfach am Thema vorbei.
Weil ich diese Serie nun aber schon seit Jahren schaue, bin ich drangeblieben und habe mir die ersten beiden Folgen der siebten Staffel angesehen. Und zum ersten Mal denke ich: Geht es noch langweiliger? Immer und immer wieder die gleiche Geschichte. Nur brutaler muss es werden, damit die Leute nicht endgültig abschalten. Ja, ich bin vermutlich jetzt an dem Punkt, an dem andere schon vor Jahren waren. Vermutlich war es bei mir die Hoffnung auf irgendeine Neuerung.
Negans Grausamkeit ist vorhersehbar, berechenbar, unüberwindbar. Für eine lange Zeit wird Ricks Gruppe keine Chance haben, sich gegen Negan zur Wehr zu setzen. Und zum ersten Mal interessiert es mich nicht, wie sie es schaffen werden, wie lange es dauert und welche Opfer die Aktion fordern wird. Können wir bitte vorspulen?
Nach Folge eins wollte ich aber nicht aufgeben. Ein bisschen hat mich doch interessiert, was sich die Autoren für den weiteren Verlauf ausgedacht haben.
Also Folge zwei: an! Nach zehn Minuten wollte ich zum ersten Mal abschalten. Schon wieder wurde also die Gruppe getrennt, damit man die Geschichte schön in die Länge ziehen kann. Schon wieder gibt es mehrere Handlungsstränge, schon wieder sieht es so aus, als gäbe es keinen Ausweg.
Folge drei liegt seit sechs Tagen ungeguckt rum. Ich habe keine Lust. Ich weiß schon, wie es weitergeht.
Die Gruppe überlegt sich tolle Pläne. Menschen sterben. Negan bleibt ein Arschloch. Noch mehr Konflikte kochen hoch. Dummheiten passieren, Millionen Walker kommen aus dem Nichts vorbei und bedrohen Alexandria, irgendwas brennt ab. Maggie wird die Oberchefin.
Während sich in den sozialen Netzwerken alle überschlagen vor Begeisterung, weil sie hoffen, dass mit Königreich, Tiger und Negan jetzt alles besser wird, sitze ich da und denke: Ich brauche eine Pause. Ich mag nicht mehr weitergucken. Aber zum Glück muss ich das auch nicht.