Als die Realität den “Tatort” ermordete
Ab und an schreibe ich ja auch beruflich – leider viel zu selten. Aber zu den Themen, die ich mir nicht nehmen lasse, gehört die Vorabbesprechung des jeweils aktuellen “Tatort”-Falls aus Dortmund. Ich liebe Faber (Jörg Hartmann), den kaputten Griesgram, den einsamen Grenzgänger, den letzten Ruhrpott-Bullen.
“Sturm” lautet der Titel des neuesten, des zehnten Falls für Faber und das, was manche sein Team nennen würden. Eigentlich sollte er am 1. Januar gezeigt werden. Er wurde jedoch verschoben, weil – so die Begründung der ARD – er inhaltlich zu viele Parallelen zum Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche am 19. Dezember aufweise.
Das ist nachvollziehbar. Zwölf Menschen haben an diesem Tag ihr Leben verloren, elf davon waren unschuldige Opfer. Sie alle – der fanatische Attentäter eingeschlossen – hatten Familie und Freunde, die mit Sicherheit einen schmerzlichen Verlust verarbeiten mussten. Der “Tatort” orientiert sich seit jeher auch an aktuellem Geschehen. Doch wenn die Realität die Fiktion auf solch dramatische Weise einholt, muss eventuell auch mal auf einen Krimi-Abend vor der Glotze verzichtet werden.
Monatelang warteten Faber-Fans und andere “Tatort”-Gucker darauf, dass ein neues Ausstrahlungsdatum verkündet wurde. Dann die gute Nachricht: An Ostermontag sollte es soweit sein und “Sturm” endlich gesendet werden.
Heute jedoch erscheint es durchaus möglich, dass diese Folge gar nicht gezeigt wird. Also nie. Denn Faber bekommt es in diesem “Tatort” mit einem Bombenattentäter zu tun, der Dortmund bedroht. Und am heutigen Tag, am 11. April 2017, vor knapp einer Stunde hat tatsächlich jemand in Dortmund drei Sprengsätze gezündet.
Wir sollten wahrlich andere Sorgen haben als einen schnöden Fernseh-Krimi. Wir sind alle froh, dass es diesmal bei leichten Verletzungen blieb. Dass der Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB lediglich dafür sorgte, dass im Stadion die Fahne der Fairness hochgehalten und ein Fußballspiel verschoben wurde. Und wir sollten uns nicht an Spekulationen aller Art beteiligen. Denn zum jetzigen Zeitpunkt (es ist 20.55 Uhr) wissen wir praktisch noch gar nichts.
Es bleibt jedoch eine interessante Fußnote, über die sich die Feuilletonisten spätestens ab Ostern die Finger wund schreiben werden. Heute ist ein trauriger Tag für den Sport und für die Gesellschaft. Aber auch ein bemerkenswerter Tag für das Fernsehen. Denn heute wurde vielleicht ein “Tatort” ermordet.
UPDATE: Oder auch nicht. 🙂