Alleingang im All: Der Krieg der Sterne wird zum Piratenabenteuer
Der junge Draufgänger Han (Alden Ehrenreich) schlägt sich auf seinem Heimatplaneten Corellia zwischen maroden Fabrikhallen und überfüllten Straßen als Gauner durch. Nach einem Konflikt mit der kriminellen Elite und der unterdrückenden Obrigkeit entschließt er sich, seinem Freiheitsdrang nachzugeben und dem tristen Dasein zu entfliehen. Dabei wird er von seiner Freundin Qi’ra (Emilia Clarke) getrennt und schließt sich kurzerhand dem Imperium an. Sein Ziel: eine militärische Pilotenausbildung zu absolvieren, um eines Tages zurückzukehren und seiner Gefährtin ebenfalls ein freies Leben zu ermöglichen. In den Wirren des Krieges zwischen den Sternen kommt es für den charmanten Halunken allerdings anders als geplant. Er gerät weiter auf die schiefe Bahn, kann sich im abenteuerlichen Getümmel nur auf seine Talente als Schütze und Pilot verlassen – und auf einen besten Freund fürs Leben, der fortan nicht von seiner Seite weicht.
Wow! Auch nach 40 Jahren als Fan schafft es “Star Wars”, mich zu überraschen. Erst krempelt die Fortsetzung der Saga in “Die letzten Jedi” mal eben Gewohntes um und haucht dem Franchise neues Leben ein. Und nun zeigt die zweite Zwischenmahlzeit nach “Rogue One” erneut, dass man die Vorgeschichte altbekannter Helden packend erzählen kann. Dabei geht “Solo” einen ganz ähnlichen Weg: Zwar ist die Stärke von George Lucas’ Sternenkrieg seit jeher, dass grundverschiedene Elemente miteinander kombiniert werden, und das ist auch der Grund für den jahrzehntelangen Erfolg bei immer neuen Generationen von Anhängern. Raumschiffe und Roboter, Ritter und Piraten, Monster und Außerirdische, Magie und Technik, Schwerter und Blaster, das Ganze in einer packenden Geschichte um Krieg und Freundschaft und Liebe… Klar, dass das begeistert.
Aber die “Star Wars Storys” setzen auf ein anderes Konzept: Sie nehmen eines der Mosaiksteinchen und schaffen dadurch einen neuen Fokus auf das große Ganze. War “Rogue One” ein vergleichsweise harter Kriegsfilm, der die schwitzenden und blutenden Truppen in Nahaufnahme zeigte, ist das erste Abenteuer von Han Solo ein klassisches Swashbuckler-Märchen, voller aufregender Bilder und schräger Figuren.
Das funktioniert grundsätzlich großartig: Alden Ehrenreich verkörpert den Schurken, der meist widerwillig das Richtige tut, durchaus überzeugend und ohne Harrison Ford nur zu kopieren. Donald Glover ist ein charmant-hinterhältiger Lando Calrissian, während Emilia Clarke (“Game Of Thrones”) allenfalls solide und Woody Harrelson sich selbst spielt. Paul Bettany gibt wirklich bedrohlich den sinistren Psychopathen – und wer die vier mehr oder weniger überraschenden Cameos bekannter Darsteller mitkriegt, darf sich zu Recht als Fan bezeichnen. Auch kommt das “Solo”-Abenteuer als kühner Ritt daher, niemals wird es langweilig, immer ist etwas los. Die Protagonisten hetzen von einer grotesken Welt zur nächsten – und natürlich sind die Spezialeffekte erwartungsgemäß atemberaubend. Die Geschichte von Han im Unglück erzählt jedoch die eines Vertreters der Unterschicht. Seine Heimat wird dargestellt als eine Art Detroit im Weltall, voller kaputter Fabrikgelände und heruntergekommener Industrie. Seine Mitstreiter sind keine edlen Jedi-Ritter oder strahlenden Prinzessinnen, sondern Kriminelle und Söldner – allerdings mit dem Herz am rechten Fleck, wenn es darauf ankommt. (Oder doch nicht?) Hier kämpft nicht die Rebellion gegen das Imperium, sondern ein Gescheiterter um sein Überleben. Die Anfangsjahre der Allianz werden allenfalls in einer Parallelhandlung skizziert, um anzudeuten, dass unser Held ein anderes Schicksal erwarten kann, als aktuell zu sehen ist.
Man könnte eventuell kritisieren, dass Solos charakteristische Eigenschaften und Merkmale ein wenig zu gehetzt abgehakt werden: Der legendäre Kessel-Flug, die Uniformhose, die Übernahme des “Millennium Falcon”, seine Sprüche, die Freundschaft zu Chewie (Joonas Suotamo) und das Misstrauen gegenüber Lando – das alles wird eben in einem einzigen Film gezeigt. (Harrison Ford dürfte sowas gewohnt sein: In “Indiana Jones und der letzte Keuzzug” (1989) eignet sich der junge Indy sämtliche Attribute im Prolog an.) Und wie bei “Rogue One” sollte niemand einen klassischen “Star Wars”-Film erwarten: Die Macht gilt zum Zeitpunkt der Handlung als Mythos, der Konflikt zwischen dem Imperium und den Trümmern der Alten Republik steckt wie erwähnt noch in den Kinderschuhen.
Dafür schafft es Regisseur Ron Howard, genau jene Atmosphäre zu schaffen, die gerade Han Solos Abenteuer für viele Fans zu etwas Besonderem macht. Die Chemie zwischen ihm und Chewbacca wird glaubhaft vermittelt: Wenn die beiden zum ersten Mal gemeinsam im “Falken” sitzen, kann man gar nicht anders als so breit zu grinsen wie der Protagonist.
Wir erleben hier jemanden, dem das Leben übel mitgespielt hat und der trotzdem nie seinen Optimismus verliert. Der eine wilde Jagd mit lässigen Witzen und einer Extraportion Mut meistert. Und – versprochen – der immer zuerst schießt.