Das war’s dann: Die “Discovery” schlingert durch Raum und Zeit
An Bord der “Discovery” herrscht die gewohnte Aufregung: Adoptiv-Vulkanierin Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) wird noch gelegentlich an ihren vermeintlichen Verrat erinnert, findet sich aber inzwischen auf dem Raumschiff mit seinem neuartigen Antrieb und dem “schwarzen Alarm” unter der nun nicht mehr namenlosen Besatzung so gut zurecht, dass dies als “Freundschaft” bezeichnet wird. Ihre beste Freundin ist zwar nach wie vor tot, wurde aber immerhin durch eine Doppelgängerin ersetzt, die in einem Paralleluniversum Super-Hitler war und nun für den sinistren Geheimdienst der ansonsten betont human auftretenden Föderation arbeitet. Michaels Ex ist ein getarnter Klingone, hat aber ebenfalls bei Sektion 31 einen neuen Job gefunden.
Der Tod spielt übrigens nur in ausgewählten Fällen eine Rolle: Während Schiffsarzt Culber (Winson Cruz) als Pilz zurückgekehrt ist und Georgiou (Michelle Yeoh) wie erwähnt lässig durch ihr böses Ich ersetzt wurde, sollen wir in Episode 9 der zweiten Staffel um einen Charakter trauern, den wir bis dahin nicht kennen gelernt haben: Offenbar ist der Name der Dame mit der an einen Borg erinnerten Optik Airiam (Hannah Cheesman), und sie ist ein Cyborg – da waren sich die Produzenten anfangs selbst nicht so ganz einig. Nun also wird sie nach einer Verkettung unglücklicher Umstände quasi in Notwehr getötet – verantwortlich ist Michael, die ja offenbar das Pech gepachtet hat und nach ihrer mütterlichen Freundin und der Liebe zu Doppelagent Tyler (Shazad Latif) auch noch um eine ihrer allerbesten Kameradinnen (so wird behauptet) trauern muss. Als Zuschauer mag einem das nicht recht gelingen – dramatische Effekte hin, pathetische Reden her -, aber wir haben auch genug damit zu tun, den lang erwarteten Twist dieser Staffel in der folgende Episode zu verdauen: Der rote Engel ist nämlich niemand anders als die zukünftige Version von Michael selbst, die offenbar das Pech… aber das hatten wir schon.
Nö. Echt nicht. Ich war wirklich willens, die neue Serie eines Franchises, das ich seit 35 Jahren liebe, gut zu finden. Habe sie notfalls wild verteidigt, wenn engstirnige Fans die Optik oder die Erzählweise bemängelten. Nur: Das Problem von “Star Trek: Discovery” ist nicht, dass das Ganze beeindruckend wie ein Kinofilm aussieht oder zu modern ist, was den Kanon in Frage stellen könnte, oder gar zu gegenwärtig inszeniert wird (es ist Netflix 2019, Freunde). Nein, das Problem ist, dass offensichtlich niemand hinter den Kulissen auch nur annähernd versteht, wie man eine stringente Geschichte erzählt.
Die beiden letzten Folgen der aktuellen Staffel sind für mich der Offenbarungseid: Es gibt kein Konzept. Nachdem der Auftakt von Season 2 mehr als vielversprechend gelungen war und man sich offenbar die Kritik der nicht engstirnigen, sondern qualitätsbewussten Fans zu Herzen genommen hatte, treten die Produzenten nun alles wieder in die Tonne. Um den angeblichen Fan-Liebling Spock (Ethan Peck) nach anfänglichem Spannungsaufbau nun so oft zu zeigen wie möglich, klammert man sich an die längst auserzählte, wenig spannende Story um Tyler und die Sektion 31. Niemand hinterfragt Georgious Verhalten oder ihre Vorgeschichte im Spiegeluniversum – die Föderation paktiert mit einem faschistischen Despoten und Massenmörder. Wir sollen akzeptieren, dass der tote Doktor durch die offenbar allmächtige Sporenwelt neu erschaffen wurde, andererseits aber um eine uns bis dato komplett Unbekannte trauern. Und zu schlechter Letzt wird das Rätsel um den roten Engel – immerhin der episodenübergreifende Handlungsstrang – dadurch aufgelöst, dass Michael und ihre Eltern, aber natürlich auch wieder Sektion 31 dafür verantwortlich sind. Wird ein derartiger Unsinn kurz vor Drehbeginn einer neuen Folge durch den jeweiligen Autor erdacht, und der nächste muss dann sehen, wie er daran anknüpft? Wo ist der rote Faden? Hat der Showrunner seit zwei Staffeln Urlaub?
Ich persönlich schaue diesem Schlingerkurs nur noch bis zum Staffelende zu und werde irgendwann zumindest mal nachlesen, ob und wie der Anschluss an chronologisch spätere Trek-Abenteuer gelungen ist. Derweil freue ich mich auf die angekündigte Picard-Serie. Die ist wenigstens kein Prequel.