Die Rückkehr der Gänsehaut: Warum “Die letzten Jedi” die Rettung für “Star Wars” ist
Die Erste Ordnung hat die Galaxis übernommen. Dem Widerstand ist es nicht gelungen, die Nachfolger des Imperiums aufzuhalten. Im All herrschen Unterdrückung und Dekadenz – es sind düstere Zeiten, Kriegszeiten, Zeiten der Verzweiflung. Auch auf Seiten der einstigen Allianz, die sich wieder in die Rolle der Rebellen gedrängt sieht. Die abenteuerlustige Waise Rey (Daisy Ridley) hat auf der Suche nach ihrer Bestimmung den letzten Jedi-Meister Luke Skywalker (Mark Hamill) aufgesucht, in der Hoffnung, Antworten auf die Frage nach ihrer Herkunft zu finden und den verbitterten Veteranen dazu zu bewegen, sich dem Widerstand unter der Führung seiner Schwester Leia (Carrie Fisher) anzuschließen. Der einstige Stormtrooper Finn (John Boyega) macht sich unterdessen – getrieben von seiner Sorge um Rey – auf einen Alleingang, wobei er auf die tapfere Mechanikerin Rose (Kelly Marie Tran) trifft. Und Pilotenass Poe (Oscar Isaac) stellt fest, dass es im Kampf gegen den übermächtigen Gegner nicht immer gut ist, auf seinen Hitzkopf zu hören. Alle drei Helden gehen ihren Weg, zunächst getrennt, später vereint – um zu erkennen, dass nicht alles so klar ist, wie sie hofften. Dass die Grenzen zwischen der dunklen und der hellen Seite der Macht verschwimmen. Und bis jeder endgültig versteht, wer auf wessen Seite ist, will manch bittere Lektion gelernt sein.
Willkommen zurück in der fernen Sternenwelt, in der vor langer Zeit ein ewiger Krieg den Weltraum erschütterte. Nachdem J.J. Abrams vor zwei Jahren erfolgreich alte und neue Anhänger vereint hat, indem er der Sternensaga ein Kapitel hinzufügte, das mehr als einmal an frühere Geschichten erinnerte, waren Fans in aller Welt durchaus angespannt. Wie würde die Story weitergehen? Wie lauten die Antworten auf die drängenden Fragen, mit denen uns die Cliffhanger von “Das Erwachen der Macht” zurückließen? Und wird es Star Wars schaffen, uns noch einmal zu überraschen, oder verkommt das Epos gar zur wohligen Familienunterhaltung?
Ganz ehrlich: Ich war skeptisch, sehr skeptisch sogar. Nichts, aber auch wirklich gar nichts, was über die Handlung von Episode 8 bekannt wurde, war dazu angetan, mich zu begeistern. Nach dem letzten Trailer vor dem Kinostart hatte ich sogar die Sorge, eventuell enttäuscht zu werden. Das sah doch verdächtig nach “Das Imperium schlägt zurück” aus. Wo blieb die Spannung zum Drama, das Abenteuer zum Bombast? Ich glaubte, zu wissen, was mich erwartet – und das wirkte langweilig.
Doch in Wahrheit wusste ich gar nichts.
Selten hat ein Trailer das potenzielle Publikum so sehr auf die falsche Fährte geführt. Noch nie hat es ein etabliertes Franchise geschafft, seine Anhänger derart zu überraschen. Und niemals zuvor wurde eine über mehrere Filme ausgedehnte Geschichte so konsequent weitergedreht, hat sich gleichzeitig auf links gezogen und erneuert, um sich dann doch selbst treu zu bleiben. Dieser Film hat mich daran erinnert, warum ich seit meinem vierten Lebensjahr Star-Wars-Fan bin. Und weshalb ich das immer bleiben werde.
Es ist schlicht nicht möglich, diese kryptisch skizzierte Euphorie in Worte zu fassen, ohne zuviel über die Handlung zu verraten. Deshalb nur soviel: Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson (“Looper”) nimmt sich sämtliche Versatzstücke und Klischees der Saga vor, sogar den Hype, den sie im realen Leben verursacht, um sie entweder ironisch zu brechen oder mit lautem Krachen in ihre Bestandteile zu zerlegen. Weil er dabei die klassischen Definitionen von Gut und Böse deutlich in Frage stellt, modernisiert er den Sternenkrieg, ohne ihm dabei seinen Charme oder seine Atmosphäre zu nehmen. Der Mann ist selbst Fan – das merkt man jeder Minute dieses Meisterwerks an. (Und es sind einige Minuten. 152, um genau zu sein. Aber es sind epische, sehenswerte Minuten.) Was wir sehen, holt uns ab, um uns dann an Orte zu bringen, an denen wir noch nicht gewesen sind. Wir können die Verwirrung der drei (eigentlich vier) neuen Helden nachvollziehen, wir verstehen auch die Beweggründe für das Handeln ihrer alten Wegbereiter, selbst die Antagonisten bekommen neuen Schwung. Vor allem das letzte Drittel von “Die letzten Jedi” ist ein Festival der Twists. Und alle funktionieren sie, passen perfekt zusammen, ergeben am Ende ein großes Ganzes. Wer bei der letzten Szene keine Gänsehaut bekommt, ist vermutlich klinisch tot.
Jeder der Protagonisten hat seinen heroischen Moment, seine ganz besondere Situation, die er auf jene Weise durchlebt, für die wir ihn lieben. Mein Favorit ist Finn, der “Fehler im System”, der unfreiwillige Held zwischen den Fronten. Er hat einen der besten Dialoge des gesamten Franchises. Fisher (in ihrer letzten Rolle) und Hamill sind die perfekten gealterten, vernarbten, weisen Schlachtrösser. Beide strahlen diese ganz besondere Würde aus, die das Produkt auch harter Zeiten ist, die überstanden werden mussten.
Schlachten zwischen den Planeten, Duelle mit dem Lichtschwert, bizarre Kreaturen, die Musik von John Williams… keine Sorge, das ist alles da. Aber dazu gibt es noch so viel mehr. Dies ist ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk. Der beste Film des Jahres. Und (mir ist bewusst, was ich damit sage): “Die letzten Jedi” ist der beste Star-Wars-Film seit “Eine neue Hoffnung” (der für mich immer “Krieg der Sterne” heißen wird).
Weil er mit Erwartungen bricht, wo der (historisch) erste Film der Reihe noch keine voraussetzte. Weil er seine Zuschauer in ein Abenteuer zieht, das der erste Film erfunden hat. Weil er sich der Tradition des ersten Films voll bewusst ist. Weil er Star Wars buchstäblich lebt und atmet und damit rettet, und weil das mehr ist, als wir erwarten durften.
Und weil das hier im Grunde noch immer eine Geschichte um Freundschaft und Zusammenhalt ist, in der das Böse übermächtig ist, aber das Gute niemals aufgibt.